Von Frauenkreisen, Scheunendächern und was weiß ich
Hallo ihr Lieben. Ich melde mich mal wieder. Die letzten Wochen, Monate sogar, waren wirklich sehr anstrengend. Der Herbst ist auch hier eingetroffen und mit einem Schlag wurde es nass. Regen und Sturm lösten 30 Grad-heiße Frühherbsttage ab und man meint wir wären doch vorbereitet gewesen. Gefreut haben wir uns sogar auf die gemütliche Zeit in unserer Holzhütte. Wie naiv! Tatsächlich waren wir nämlich total überrascht von der Heftigkeit und Pedanterie des Herbstes. „ICH BIN DAAA!“ schrie er uns ins Gesicht und donnerte unser Scheunendach, sowie unser Pavilliontarp durch die Luft. Kannten wir dies nicht vom letzten Jahr? Man möchte meinen, wir wären absolute Neulinge im Bereich Jahreszeitenwechsel. Unsere Stimmung ging schlagartig in den Keller. Wir mussten uns erst wieder daran gewöhnen auf engstem Raum mehrere Stunden zusammen zu sitzen. Schlicht gesagt: Wir gingen uns alle gefühlt ein klein wenig auf den Sack. Und ich dachte, es geht schon mit dem wenig Platz. Tiny Living ist doch super. Total IN und so umweltfreundlich! Mikro-Living aber nicht! Mein Nervenkostüm schaltete sich wie während der Schwangerschaft, regelmäßig in den Hulk-Modus. Zusätzlich war auch irgendwie seit Wochen der Wurm drin…

…wir hingen in einem kleinen Loch. Und kamen da nicht so leicht raus, da wir es nicht so recht erkannten. Hier läuft ja alles parallel, wir brauchen Kapital, wir möchten an unseren Projekten weitermachen, die Kinder brauchen Betreuung. Dazu schüttet es wie aus Eimern. Jetzt fliegen auch noch Scheunendächer durch die Lüfte. Die Herausforderungen sind groß. Immer dann, wenn ich das Gefühl habe es läuft alles blöd, dann setzt bei mir der Notschalter `Flucht` ein. Am liebsten wäre ich weit fort von hier gegangen, wo das Gras grüner ist.
Weil mir der Raum zum Atmen und Denken gefehlt hatte, bat ich Martin für zwei Tage zu seiner Mama zu gehen. Der Abstand musste dringend her. Und in diesen zwei Tagen und der einen Nacht habe ich mich so schlecht gefühlt wie noch nie. Alles kam hoch. Ich ließ die Kinder den ganzen Tag `Anna und die wilden Tiere` auf Youtube anschauen, damit ich heulen konnte. Ich hatte den absoluten Tiefpunkt erreicht. Ich hatte keine Antwort auf die Frage wie ich da wieder rauskomme. Aus dem Loch. Fühlte sich so eine Depression an? Vielleicht. Die letzten Monate hatte ich wahrscheinlich eine postpartale Depression neben dem schon existierenden Erschöpfungszustand. Ich dachte, wir hätten ein ziemlich intensives erstes Jahr gehabt hier. Aber wenn der Zauber des Anfangs abebbt, geht es ans Wesentliche.
Martin kam nach Hause und ich schluchzte: „Jetzt müssen wir was ändern. So geht das nicht mehr. Ich bin am Ende.“
Was ich dringend brauchte, war Unterstützung und Entlastung. Und Martin? Er war die letzten Monate sehr nachdenklich geworden. Er brauchte Klarheit und Raum. Denn für ihn fallen so viele Dinge gleichzeitig an und es ist manchmal schwer abzuwägen was jetzt am Wichtigsten ist. Prioritäten ändern sich mit dem Wetter.

Es braucht ein ganzes Dorf…
…um ein Kind großzuziehen. Dieser alte Spruch ist so wahr. Denn ich erkenne, dass es total unmenschlich ist, was Martin und ich tagtäglich leisten. Eigentlich kein Wunder, dass ich in einem Mama-Microliving-Burnout stecke. Also wollen wir uns „unser Dorf“ zur Hilfe nehmen. Zum einen ist da Martins Mama, die im August hier her gezogen ist. Mit Oma haben wir tolle Unterstützung mit den Kindern bekommen. Die Kinder gehen so gerne zur Oma und manchmal schmeißen sie eine Übernachtungsparty. Dann freut sich auch mal mein Rücken. (Ich werde nachts zwischen Lou und Benno gesandwitcht. Ich bin der zerquetschte Käse.) Zusätzlich gehen die Kinder einmal die Woche in eine Home-Schooling-Betreuungsgruppe und Jaro geht noch einmal in die Waldschule. In diesen neu gewonnenen Inseln der Ruhe tanke ich neue Kraft. Entweder komme ich dem Haushalt nach, widme mich meinen kleinen Projekten hier am Land wie Gärtnern oder Landschaftspflege, mache auch mal Rückenübungen oder ruhe mich aus.
Und dann haben wir ja noch Freunde. (Ja…Freunde! Habt richtig gelesen!) Die Stärke der Gemeinschaft wird uns in Zukunft auch Entlastung bringen. Im Moment planen wir, gemeinsam mit unseren zwei Nachbarsfamilien ein Gemeinschaftshaus zu bauen. Da wir alle recht kleine Wohnräume haben, treffen wir uns eigentlich nie bei Regen. Also entschieden wir: Ein neuer Raum muss her. Ein Treffpunkt, zum miteinander Kochen und Essen und zur gemeinsamen Kinderbetreuung. Wir denken auch an Aktionen wie gemeinsames Einmachen von saisonalem Obst und Gemüse oder Bastel- und Werkaktionen. Wir denken aber auch weiter und hoffen, dass das Babyphone genug Reichweite hat, damit wir uns manchmal auf ein paar Runden Brettspiele abends treffen können. Ich hasse eigentlich Spiele, weil ich immer gewinne. Laaaaangweiliiiiig.

Die Seele streicheln gehen
Wenn wir etwas pflegen, dann sind es im Moment weniger unsere Körper. Kleiner Spaß, wir haben ja jetzt eine Dusche. Zurück zum Thema. Einmal im Monat finden jeweils ein Männerkreis und ein Frauenkreis statt. Bis letztes Jahr kannte ich solch sonderbare Kreise nicht. Da ich offen für vieles bin, schnappte ich mir meine – vom Feuererlebnis ein wenig traumatisierte – Freundin und ging da mal hin. Und was soll ich sagen? Genau das habe ich mich auch gefragt, als ich den Talking Stick in der Hand hielt. Und losheulte. (Es haben total viele geheult, okay???) War mir zwar schon ein wenig unangenehm…Doch es tat echt gut, die Geschichten von allen zu hören. Und die Verbundenheit zu spüren. Dass ich nicht alleine bin mit meinen alltäglichen Struggles. Seither war ich noch ein paar Mal. Die Gastgeberin wechselt immer wieder und jedes Mal ist es anders. Manchmal sind es Übungen zum Loslassen angestauter Emotionen und negativer Energien. Manchmal tanzen wir, manchmal streicheln wir uns mit Wildblumensträußen. 😀 Klingt lustig und ich bin auch die einzige die innerlich dabei lachen muss. Aber es macht total Spaß was Neues auszuprobieren. Und immer öffnet der Kreis einen Raum, um sich etwas von der Seele zu reden oder um etwas zu teilen. Irgendwie fiel mir auf, dass ich jedes Mal zum Kreis ging, wenn es mir besonders scheiße ging. Und dann habe ich jedes Mal geheult, weil ich voll in meine Themen reinging…aber eigentlich wollte ich das nicht! Kann ich mit meinen Emotionen nicht umgehen? Nein, ich denke es ist ganz natürlich – natürlich. Selber losheulen war für mich einfach nur nie gesellschaftstauglich. Ich finde es immer schön, wenn jemand nah am Wasser gebaut ist, aber nun bin ich diejenige die bei jedem Mist heult…an dieser Stelle ein Halleluja an meine Hormone! Ich musste letztens Rotz und Wasser heulen als ich das Neugeborene einer Freundin sah. Es war wirklich ein wenig übertrieben. Es sollten ja Freudentränen sein. Doch es waren sehr sehr viele, mit lauten Schluchtzern begleitete Tränen. Oh man, wer bin ich? Oder, als ich einen Freund im Krankenhaus besucht habe, der einen Autounfall hatte. Ich habe schon damit gerechnet ein paar Tränchen zu vergießen…Rotz und Wasser sag ich euch, hab ich geheult. Ich habe mich nicht im Griff. Und wisst ihr? Es ist schön. Es ist sooo befreiend zu fühlen. Und es ist scheißegal, wer dir dabei zusieht. Und es ist total egal, ob mir dabei der Rotz nur so aus der Nase hängt und jemanden volltropft und der das total eklig findet und mich ab sofort Ekel-Janice nennt. Denn sich um sein Seelenwohl kümmern, bedeutet Gefühle zuzulassen und loslassen. Spaß und Leichtigkeit darf einziehen. Also gehe ich jetzt weiterhin zu diesen Kreisen, denn ich merke, die Zeit die ich da für mich bewusst einräume, ist Gold wert. Und um das Ganze abzurunden, geht Martin einmal die Woche zum Fußball. Für ihn ein enormes Highlight. Er kommt zwar fast immer humpelnd nach Hause, aber er ist danach wie ausgewechselt. Er zieht das den Männerkreisen auf jeden Fall vor.

Und exklusiv für euch kommen nun noch meine INNOVATIVEN TOP-9-TIPS für graue Tage:
– Lesen! Den Kindern vorlesen, selber lesen
(Ich zum Beispiel les zurzeit alle Bücher die es auf der Welt gibt über gewaltfreie Kommunikation, Krisen des Elternseins, eben alles für ein harmonisches Familienleben. Einfach auch, um mich selbst einzuschätzen… welche Fehler ich alles mache als Mutter…um mich noch beschissener zu fühlen! Haha, ja es ist manchmal echt so, dass ich mir denke, wow ich bin nicht mal im Negativbeispiel aufgezeigt, krass wie hart versag ich bitte? Natürlich, das alles was da steht, das darf man sich natürlich alles nicht so zu Herzen nehmen. Ich darf echt lernen mir selbst zu vergeben, nicht so streng sein. Ich möchte nur nie aufhören zu versuchen ein besserer Mensch zu werden und deswegen helfen mir manchmal Impulse von außen, wie solche Bücher. Und ich bin überzeugt, dass wir viele Dinge im Alltag sagen, die wir gar nicht aus Überzeugung sagen, die wir aber in unserer Kindheit so eingebläut bekamen, dass unser System sie automatisch abspielt. Wie: „Mit Essen spielt man nicht!“ Warum??? Wenn sie es doch eh essen, dann ist es doch kackegal, ob jetzt der Frischkäseklumpen im Wasserglas schwimmt…wenn es ihr schmeckt. Bon appetit!!! Kurzum: Manch ein Satz aus einem Ratgeberbuch hat in mir schon was bewegt, deshalb lese ich sie.)
– Spazieren gehen und dabei Dinge sammeln: Maronen, Eicheln, flechtenbewachsene Äste, herumliegende Scheunendächer, schöne Blätter,…
– B für Basteln mit Naturmaterialien oder Salzteig (mein Liebling ist der Salzteig. Ich färb ihn manchmal mit Lebensmittelfarbe und wenn Lou ihn isst, ist es mir auch meist nicht so wichtig.)
– Maronen sammeln und gleich darauf in die Pfanne damit – so himmlisch
– Den Küchenofen anheizen und Brot oder Kuchen backen und das erste Stück viel zu heiß essen
– Feuer machen: im Kamin oder Lagerfeuer
– Ab und zu ins städtische Schwimmbad fahren
– Sandmann Geschichten rauf und runter hören (oder Super-Mege-Ultra-Geheimtipp: Mira und das fliegende Haus. Finde ich total schön. Die Kinder mögen das leider nicht. Ich mach es manchmal doch einfach an, weil ich es hören will. Bei jeder Folge nehme ich total viel für mich mit!)
-Und zu guter Letzt: Manchmal richtig krasse Musik anmachen für Jaro und ausflippen (Jaro liebt schnelle und laute Musik, da kann er richtig heftig vom Spielbereich ins Bett springen und all seine Stunts raushauen. Sein aktueller Favorit: B.Y.O.B von System of a Down. Er ist soooo witzig.:))

So das war der Blogeintrag für heute. Fühl dich umarmt, wer immer du auch bist. Chrissi, Sara und Alisha ihr nicht. (Das ist die Rache für Tschenis-Penis und Rose-ette. Ha und ihr dachtet, ich vergesse das, ich vergesse NICHTS. Nada. Thats my revenge. Suck it in!!! NO-HUG.)
Ich schicke dir Licht und Liebe. Mögen sie immer in deinem Herzen wohnen und dir warme Begleiter sein. (Gilt nicht für Chrissi, Sara und Alisha. I mean it!)
Machts gut.
(Ihr nicht. Ihr wisst, wer gemeint ist.)
Goodbye.
(NOT.YOU (saraalishachristian.notyou!))
Alle Bilder sind von Tommy. Deswegen sind die auch so schön. Danke fürs Knipsen und eure wundervolle Hilfe. Wir vermissen euch hier!
Liebe Janice.
Jetzt hab ich Tränen in den Augen , tolle Geschichte, bleib wie Du bist: stark, tapfer und mit Sicherheit die beste Mama für deine Kinder.
LG, ein Fan aus der Rosi 13
Lieben Dank für deine schönen Worte liebe Iris! Ich denke so gerne an die Zeit in unserer Rosi13 zurück. Was für ein Glück es ist, dort großgeworden zu sein. Alles Liebe und liebe Grüße an die Family 🙂 <3
Ich finde deine Beiträge so schön geschrieben! Man liest richtig gerne weiter😊 Ich bin gespannt wie es weiter geht bei euch und unglaublich was ihr alles leistet! Schon ohne Grundstück finde ich der Satz,
dass ein Kind ein Dorf braucht sehr passend!
Liebe Grüße an Alle😊